Kanzler - Galerie, Umbau u. Betrieb, München

Mitten im Münchner Museumsquartier Maxvorstadt, an einer stark befahrenen Kreuzung gegenüber der Technischen Universität, stand eine langgestreckte Holzbaracke. Es handelte sich dabei um einen der letzten sogenannten Behelfsbauten aus der Nachkriegszeit, das provisorische Ladengebäude der „technischen und naturwissenschaftlichen Fachbuchhandlung Kanzler“ errichtet 1952, in Betrieb bis 2002.

2003 konnten wir das Gebäude übernehmen und bauten es mit Freunden zu unserem ersten Bürostandort eigenhändig um. Das Architekturbüro richteten wir im inneren Kern des Flachbaus ein, den großen verglasten Raum zur Straßenkreuzung nutzen wir als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum. Erfahrungen mit dem Kunstbetrieb hatten wir zuvor bei Peter Haimerl in der städtischen Ausstellungshalle „Lothringer 13“ gesammelt. Berliner Zwischennutzungen der Nachwendezeit und besonders das Gemälde „Nighthawks“ von Edward Hopper hatten uns dazu inspiriert, die Buchhandlung Kanzler zu einer Galerie-Bar umzunutzen.

„Hopper ist der Maler, der malt, wie wir Architekten denken.“
Ueli Zbinden

Unser Kunst- und Veranstaltungs-Projekt hieß „Kulturkiosk Kanzler“ und war schnell in der ganzen Stadt bekannt. „Kiosk“ bedeutet im Türkischen „offener Gartenpavillon“, und genau wie ein Gartenpavillon stand „das Kanzler“, umgeben von hohen Häusern, eingewachsen von Bäumen wie das Dornröschenschloss, nachts hell erleuchtet wie eine Laterne inmitten der dunklen Großstadt. Da der Grundriss des Gebäudes an einen Tempel erinnerte, erhielt das Projekt zusätzlich den Untertitel „Tempel für Architektur, Kunst, Musik, Politik, Religion und Lebenslust.“

Ohne jedes Marketing verstanden die Bewohner der Stadt die offene und schwellenlose Architektur des Gebäudes als Einladung einzutreten. Schon während des Umbaus kamen die ersten Besucher und fand die erste Ausstellung (Judith Hugener) statt. Ab dann versammelten sich jeden Freitagabend mehr und mehr Nachbarn, Freunde und Interessierte zu einer Vernissage, Finissage, Lesung, Diskussion, Film-, Musik- oder Theateraufführung. Zum Ausklang ertönte immer um Mitternacht Johann Strauss‘ Walzer „An der schönen blauen Donau“ - eine Anspielung auf Stanley Kubricks Film „2001“.

Außer einem Architekturbüro, einer Galerie, einer Freitagabendbar und einem Nachbartreff war so auch eine Art politischer Salon entstanden - ein spannender, von Architekten geschaffener Ort, der das kulturelle Leben der Stadt herausforderte und nachhaltig prägte.